zum 60ten

 

60 Jahre Karnevalsgesellschaft Dattenberg

  von Georg Siebertz – im Jubiläumsjahr 1996  

Für einen Verein noch kein hohes Alter, aber doch Grund genug, Rückblick zu halten. Es war im Jahre 1936, als sich einige Männer im besten Alter den Mut nahmen, noch einen Verein zu gründen, obwohl bereits der Verkehrs- und Verschönerungsverein um die gleiche Zeit ins Leben gerufen worden war.

Was hat die Männer damals bewogen, die KG zu gründen?
(Die Möhnen hatten sich schon 1932 zusammengeschlossen.)

Es war ein wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen, der vielen Menschen wieder Arbeit brachte. Das verdiente Geld sorgte nicht nur für das Brot in der Familie, sondern hob auch die Lebensfreude. Das mag mit dazu beigetragen haben, einem Verein beizutreten, der die Pflege des Frohsinns sein Hauptziel nannte.

Wer aber meint, dass vor der Gründung der KG zu Dattenberg an Karneval nichts los war, der irrt. Schon immer wurde “Fastelovend” – vielleicht oft ausgelassener als heute – gefeiert. Dazu muss gesagt werden, dass “Fastelovend fiere” nicht immer eine Angelegenheit aller Bürger war. So wie heute auch waren es immer nur einige Jecken, die aus Spass an der Freude ihren Karneval feierten.

Von früher ist überliefert, dass – ausser den Maskenbällen – keine Veranstaltungen im Saale stattfanden. Karneval fand in den Lokalen, den Häusern und auf der Strasse statt, sehr oft zum Ärger und Leidwesen der betroffenen Bürger und der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit.

Strassenkarneval, das war eine Angelegenheit mehr oder weniger maskierter und oft alkoholisierter Männer, nicht nur der Junggesellen, obwohl diese Vorrechte hatten.

Man zog singend und musizierend durch die Strassen, Wirtschaften und Häuser und trug dabei Spottverse und Lieder vor. Wem im Laufe des Jahres ein Missgeschick passiert war oder wer etwas angestellt hatte, der konnte damit rechnen, das er bei dieser Gelegenheit noch einmal daran erinnert wurde. Manches wurde dabei aufgebauscht, aber nur zur Freude der Teilnehmer und Zuhörer, aber immer zum Ärger der Betroffenen. In den Sitzungen wurde und wird oft in der gleichen Weise verfahren. Unseren Eltern und Grosseltern waren die Spottlieder und Sprüche bekannt, einige haben sich sogar bis heute erhalten. Dabei war zu beobachten, das an Karneval auch diejenigen, die sonst nichts damit “am Hut hatten”, bei der Schadenfreude auch dabei waren.

Als Musikinstrumente nahm man eine Ziehharmonika, “Quetschböggel” genannt, eine Flöte, eine Trommel oder eine Waschbütte, die in eine “Decke Dromm” umgebaut worden war, Deckeln von Kochtöpfen und dazu noch eine “Düwelsjeisch” (Teufelsgeige). Diese wurde selbst- gebaut und bestand aus einer Latte oder einem Weinbergspfahl, über die mehrere Drähte in Längsrichtung über eine Blechdose als Steg und Klangkörper gespannt wurden. Mit einer Feile oder einem Sägeblatt wurden die Saiten zum Schwirren gebracht, wobei es schrille Töne gab. Oben auf die Latte wurden noch Blechdeckel genagelt, die beim Aufstampfen der Geige den Krach erhöhten. Man kann sich vorstellen, was das für ein Zauber und Spektakel war.

Wo die Horde in den Häusern aufrauchte, war man heilfroh, wenn man sie mit einigen Getränken und Speisen schnell wieder los wurde.

Nicht gerade zimperlich ging man am Fastnachtsdienstag mit dem “Ärsebär” (Erbsenbär) um. Das war ein in Erbsenstroh eingebundener Bursche, den man unter Musikbegleitung durch das Dorf trieb. Dieser Brauch erinnert stark an das bis heute noch übliche Kirmesbegräbnis. Die weltlichen und kirchlichen Obrigkeit waren nur selten mit den Narren einig, obschon der Karneval auch einen kirchlichen Ursprung hat. Man scheute Auswüchse und verurteilte deshalb das Narrentreiben. Gegen die Narrenfreiheit konnte man nichts ausrichten, aber man stand dem ganzen Geschehen sehr skeptisch und reserviert gegenüber. Bis die Ortsobrigkeit die Veranstaltungen, wie heute üblich, besuchte, war ein langer Weg. Wenn heute sogar Karnevalsmessen gefeiert werden, ist das ein Zeichen für einen sehr grossen Gesinnungswandel.

Am Tag vor Aschermittwoch wurde früher in der Kirche, besonders aber in den Klöstern, noch mal vor der langen Fastenzeit ausgiebig gegessen, getrunken und gefeiert.

Die weltliche Seite des Karnevals kennen wir von den Hofnarren, Bänkelsängern und Gauklern. Diese kann man als die ersten Karnevalisten bezeichnen, weil der Hofnarr seinem Herrn und Gebieter ungestraft die Wahrheit sagen durfte.

Als in Dattenberg die KG gegründet worden war und die ersten Sitzungen veranstaltet wurden, fanden diese in der Bevölkerung regen Zuspruch. Auch honorige Bürger wurden in der KG aktiv. Mancher Neubürger fand oder findet bis heute durch seine Mitgliedschaft oder Aktivität in der KG Zugang zur Dorfgemeinschaft.

Mit dem Beginn der sogenannten Kappensitzungen verlor der Strassenkarneval seinen Reiz, obwohl mancher Sonntagsfrühschoppen spontan in eine “Fastelovendsfeier” überging.

Aber warum nannte man die Sitzung “Kappensitzung”?

Bis vor einigen Jahrzehnten wurden noch an alle Besucher Papierkappen ausgegeben. Da der Narr seine Kappe ständig tragen durfte, unterschied er sich von den anderen Bürgern, weil diese als Zeichen der Ehrerbietung ihre Kopfbedeckung vor den Höhergestellten abnehmen mussten.

Höhen und Tiefen begleiten jeden Verein. So war es auch mit unserer KG.
Die erste Zwangspause im Vereinsleben setzte der 2. Weltkrieg.
Als 1947 die Junggesellen eine Kappensitzung veranstalteten, erschien dieser Zeitpunkt den ‘alten Aktiven noch zu früh. Ab 1948 fanden dann wieder Kappensitzungen in gewohnter Manier statt.

Aber ein grosser Wandel hat in den 60 Jahren stattgefunden. Nicht nur der äussere Rahmen der Sitzungen, sondern auch das Publikum änderte sich. Waren es bei den ersten Sitzungen und auch noch nach dem Neubeginn nur einheimische Kräfte, die die Vorträge in der Bütt hielten, so kam man im Laufe der Jahre ohne Fremdkräfte nicht mehr aus. Das Publikum wurde anspruchsvoller.

Das Fernsehen und der Hörfunk hatten andere Massstäbe gesetzt. Einen Vergleich mit den dort auftretenden Spitzenkräften konnten nur selten einheimische Kräfte standhalten. Die Verantwortlichen wollten daher von Jahr zu Jahr das Programm steigern, aber es ging nicht ohne Verstärkung von aussen. Durch die Konkurrenz von aussen wurden jedoch die einheimischen Kräfte müde und lustlos. Hinzu kam, dass die fremden Kräfte bezahlt werden mussten. Bald entstanden Agenturen, die Redner vermitteln. Schon Monate im voraus muss man dort buchen. So ist die Frage berechtigt, ob der Karneval nur noch ein Geschäft ist. Gewiss, ohne Geld kann man keine Sitzung aufziehen. Aber wo ist die Grenze?

Soviel neue Witze kann es ja gar nicht geben, aber die “Halbprofis” tingeln durch die Lande, erzählen überall die gleichen Witze, die oft schon uralt oder zumindest durchs Fernsehen bekannt sind, und nehmen horrende Gelder dafür. Das Publikum gähnt gelangweilt oder bleibt ganz weg. Aber es muss eine Zugnummer her, um überhaupt die Leute anzulocken.

Ähnlich ist es mit den Bühnenbildern.
Im Bürgerhaus sind dazu bessere Möglichkeiten gegeben als früher im niedrigen Saal. Vergleicht man es mit den Anfängen, so kann man nur staunen. Während früher der Elferrat hinter ein paar Tischen an der Stirnwand des Saales sass, die man mit Buntpapier oder Tuch verhangen hatte, thront” dieser heute auf der Bühne. Auch gibt es heute ganz andere Möglichkeiten für die Gestaltung des Bühnenbildes.

Tänze und Auftritte der Karnevalsgarden kannte man in Dattenberg nur vom Hörensagen. Erst vor ca. 40 Jahren trat hier die erste Tanzgruppe auf. Es waren die Linzer Roten Husaren. Heute gehören Tanzeinlagen zum festen Programm, und die eigenen und auswärtigen Tanzcorps zeigen oft die reinste Akrobatik, um das Publikum zu begeistern.

 

Man kann die Entwicklung des Karnevalsgeschehens kurz so zusammenfassen:

In den Anfangsjahren wurde in Rede und Gesang das Dorfgeschehen glossiert, und man brachte so den Strassenkarneval in verfeinerten Formen in den Saal. Im Laufe der Jahre hat sich das Programm zu einer Show entwickelt. Auch in puncto Kleidung hat es Veränderungen gegeben. Im Strassenkarneval spielte die Kleidung noch keine Rolle, je bunter, je schöner. Bei den Sitzungen kamen die Gäste, besonders die Frauen, in den besten Garderoben. Vielleicht wurden deshalb auch die Kappen nicht mehr verteilt, um die Frisuren der Damen nicht zu zerstören. Heute geht der Trend wieder ins Saloppe, man kommt kostümiert zu den Karnevalsveranstaltungen. Nur der Elferrat hat sich verbessert und kommt in weißen Jacken.

 

Dass es auch schon mal Ärger gegeben hat, wenn sich jemand durch einen Vortrag auf den Schlips getreten fühlte, und auch schon mal mit Klage gedroht wurde; soll auch nicht unerwähnt bleiben. Da aber meistens die Leute nur mit ihrem Spitznamen genannt oder die Betroffenen nur umschrieben wurden, blieb für eine Klage keine Handhabe.

 

Aber alles in allem kann man sagen, dass in Dattenberg immer ein schöner Karneval gefeiert wurde.

Hoffen wir, dass die Gesellschaft noch viele Jahre besteht und die Verantwortlichen und die Aktiven weiter aus Spass an der Freude für sich und die anderen wirken